Zugfahrt
Besigheim bei Ludwigsburg, um 11:58 Uhr im Regionalzug RE 19163 nach Stuttgart Hbf.
Ich bin nun schon seit 9:01 Uhr unterwegs. In Babenhausen(Hessen) eingestiegen, in Großumstadt und in Eberbach umgestiegen. Ich sitze im zweiten Stock eines roten Zuges. Die Fahrt dauert 4:10. Ausschließlich Nahverkehr, weils billiger ist. Über dauerts nur halb so lang. Das macht mir aber gar nichts aus, denn ich hab ein lustiges Buch dabei ("The Curious Incident of the Dog in the Night-time" von Mark Haddon), dass ich für die Schule lesen muss. Gerade in diesem Moment hält der Zug in Ludwigsburg.
Ich habe auf meiner Reise 2 Freaks und einen interessanten Mann gesehen.
Der erste Freak war ein Mann, der ein FluchderKaribik-JohnnyDepp-Outfit
anhatte. Mit langem Gewandund vielen Muschelketten, Haifischzähnen und was sonst noch dazu gehört. Er schien aber nicht auf dem Weg zu einem Kostümfest zu sein, sondern er trug dieses Outfit warscheinlich aus für einen "normalen" Menschen unersichtlichen Gründen. Er sah nicht sonderlich attraktiv aus, vielleicht versuchte er durch sein schrilles ERscheinungsbild etwas zu kompensieren, oder sich hinter seinem "Freaksein" zu verstecken. Warscheinlich traumatische Erfahrungen in der Kindheit. Ich hätte ihn gerne danach gefragt, doch ich war zu feige. Den zweiten Freak hab ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen, aber ich werde bestimmt noch einem begegnen.
Ich bin gerade umgestiegen und sitze im Zug nach Reutlingen. Wieder im zweiten Stock in Fahrtrichtung, Neben mir auf dem Mülleimer liegt ein Terminkalender, den wohl jemand dort liegengelassen hat.
Ich öffne ihn. Auf der ersten Seite liegt das Passbild einer Frau, braune, mittellange Haare, Brille, Mitte 40, Typ Deutsch- und Französischlehrerin. Er ist von 2009 und voller Termine. HInten sind viele Adressen, unter anderen die des Eigentümers, eines Berhard E. aus N. Blutgruppe 0 rhesus positiv. Das Foto wird wohl die Frau/Lebensgefährtin sein. Ich erwäge, ob ich den Kalender mitnehmen und den Bernhard kontaktieren soll, oder am Bahnhof abgebe. Mal schauen, ein Finderlohn wär auch nicht schlecht.
Ich entschieße mich ihn mitzunehmen. Der Bernhard hat wohl schon bemerkt, dass sein Kalender fehlt und ist bestimmt ganz verzweifelt. Er steckt wohl jetzt gerade in der Warteschleife irgendeiner Servicehotline der Bahn, und sucht nach Hilfe und Trost bei den freundlichen Frauen im Callcenter. "Schicken sie den Lokomotivführer, der soll suchen!!!" oder ähnlich, aber warscheinlich hat er schon vergessen, auf welchem Platz er saß. Zum Glück gibt es gute Menschen wie mich, die sich darum kümmern.
Ich bin jetzt schon hinter Esslingen und bin immer noch keinem zweiten Freak begegnet. Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf.
Dann war dann auch noch der interessante Mann in Besigheim. Ich beschreibe ihn mal.
Er hatte ein sauberes weißes Hemd an, eine schwarze Hose mit Bügelfalte und polierte schwarze Schuhe. Oberhalb des Hemdkragens ist er ebenfalls sehr gepflegt.
So sehe ich ihn, als er über den Bahnsteig läuft, und ich hätte ihn bestimmt auch gleich wieder vergessen. Einen Moment später aber sehe ich ihn mit orangefarbener Weste die Mülleimer im Zug entleeren. "Kleider machen Leute" ist in diesem Fall ein Paradoxon. Warum, und vor allem für wen macht sich dieser Mann so chic? Vielleicht führt er ja ein Doppelleben und versucht nun, nachdem ihm sein biederer Job als Kundenberater in der Volksbank gekündigt wurde, die Fassade vor seiner Familie aufrecht zu halten. Er geht morgens wie schon seit Jahren mit Anzug und Aktentasche aus dem Haus, damit seine Frau nicht merkt, dass er eigentlich ein Versager ist.
Der Zug erreicht gerade Wendlingen. Er leert sich allmählich. Immer noch kein Freak in Sicht. Es wird immer unwarscheinlicher, einen Freak zu beobachten, da Freaks vornehmlich in großen Städten leben. Stuttgart ist eine große Stadt, Reutlingen ein Kaff. Ich bewege mich von Stuttgart weg auf Reutlingen zu. Also nimmt auch die Warscheinlichkeit ab, einen Freak zu treffen.
Jetzt bin ich schon in Nürtingen. Hier wohnt Bernhard. Ich frage mich, ob ich damit rechnen kann, dass ein verzweifelter Bernhard ins Abteil gestürmt kommt und nach seinem Kalender sucht. Es ist unwarscheinlich.
Der Zug erreicht Reutlingen.
by Dani
Ich bin nun schon seit 9:01 Uhr unterwegs. In Babenhausen(Hessen) eingestiegen, in Großumstadt und in Eberbach umgestiegen. Ich sitze im zweiten Stock eines roten Zuges. Die Fahrt dauert 4:10. Ausschließlich Nahverkehr, weils billiger ist. Über dauerts nur halb so lang. Das macht mir aber gar nichts aus, denn ich hab ein lustiges Buch dabei ("The Curious Incident of the Dog in the Night-time" von Mark Haddon), dass ich für die Schule lesen muss. Gerade in diesem Moment hält der Zug in Ludwigsburg.
Ich habe auf meiner Reise 2 Freaks und einen interessanten Mann gesehen.
Der erste Freak war ein Mann, der ein FluchderKaribik-JohnnyDepp-Outfit
anhatte. Mit langem Gewandund vielen Muschelketten, Haifischzähnen und was sonst noch dazu gehört. Er schien aber nicht auf dem Weg zu einem Kostümfest zu sein, sondern er trug dieses Outfit warscheinlich aus für einen "normalen" Menschen unersichtlichen Gründen. Er sah nicht sonderlich attraktiv aus, vielleicht versuchte er durch sein schrilles ERscheinungsbild etwas zu kompensieren, oder sich hinter seinem "Freaksein" zu verstecken. Warscheinlich traumatische Erfahrungen in der Kindheit. Ich hätte ihn gerne danach gefragt, doch ich war zu feige. Den zweiten Freak hab ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen, aber ich werde bestimmt noch einem begegnen.
Ich bin gerade umgestiegen und sitze im Zug nach Reutlingen. Wieder im zweiten Stock in Fahrtrichtung, Neben mir auf dem Mülleimer liegt ein Terminkalender, den wohl jemand dort liegengelassen hat.
Ich öffne ihn. Auf der ersten Seite liegt das Passbild einer Frau, braune, mittellange Haare, Brille, Mitte 40, Typ Deutsch- und Französischlehrerin. Er ist von 2009 und voller Termine. HInten sind viele Adressen, unter anderen die des Eigentümers, eines Berhard E. aus N. Blutgruppe 0 rhesus positiv. Das Foto wird wohl die Frau/Lebensgefährtin sein. Ich erwäge, ob ich den Kalender mitnehmen und den Bernhard kontaktieren soll, oder am Bahnhof abgebe. Mal schauen, ein Finderlohn wär auch nicht schlecht.
Ich entschieße mich ihn mitzunehmen. Der Bernhard hat wohl schon bemerkt, dass sein Kalender fehlt und ist bestimmt ganz verzweifelt. Er steckt wohl jetzt gerade in der Warteschleife irgendeiner Servicehotline der Bahn, und sucht nach Hilfe und Trost bei den freundlichen Frauen im Callcenter. "Schicken sie den Lokomotivführer, der soll suchen!!!" oder ähnlich, aber warscheinlich hat er schon vergessen, auf welchem Platz er saß. Zum Glück gibt es gute Menschen wie mich, die sich darum kümmern.
Ich bin jetzt schon hinter Esslingen und bin immer noch keinem zweiten Freak begegnet. Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf.
Dann war dann auch noch der interessante Mann in Besigheim. Ich beschreibe ihn mal.
Er hatte ein sauberes weißes Hemd an, eine schwarze Hose mit Bügelfalte und polierte schwarze Schuhe. Oberhalb des Hemdkragens ist er ebenfalls sehr gepflegt.
So sehe ich ihn, als er über den Bahnsteig läuft, und ich hätte ihn bestimmt auch gleich wieder vergessen. Einen Moment später aber sehe ich ihn mit orangefarbener Weste die Mülleimer im Zug entleeren. "Kleider machen Leute" ist in diesem Fall ein Paradoxon. Warum, und vor allem für wen macht sich dieser Mann so chic? Vielleicht führt er ja ein Doppelleben und versucht nun, nachdem ihm sein biederer Job als Kundenberater in der Volksbank gekündigt wurde, die Fassade vor seiner Familie aufrecht zu halten. Er geht morgens wie schon seit Jahren mit Anzug und Aktentasche aus dem Haus, damit seine Frau nicht merkt, dass er eigentlich ein Versager ist.
Der Zug erreicht gerade Wendlingen. Er leert sich allmählich. Immer noch kein Freak in Sicht. Es wird immer unwarscheinlicher, einen Freak zu beobachten, da Freaks vornehmlich in großen Städten leben. Stuttgart ist eine große Stadt, Reutlingen ein Kaff. Ich bewege mich von Stuttgart weg auf Reutlingen zu. Also nimmt auch die Warscheinlichkeit ab, einen Freak zu treffen.
Jetzt bin ich schon in Nürtingen. Hier wohnt Bernhard. Ich frage mich, ob ich damit rechnen kann, dass ein verzweifelter Bernhard ins Abteil gestürmt kommt und nach seinem Kalender sucht. Es ist unwarscheinlich.
Der Zug erreicht Reutlingen.
by Dani
JanaundDani - 26. Mai, 15:26